Warum wir beim Gestalten Antworten finden, die wir mit dem Kopf allein nicht erreichen
- atelier26caspar

- 9. Sept.
- 3 Min. Lesezeit
Ein Fallbericht aus dem Coaching
Anna sitzt mir gegenüber.
Man sieht ihr an, dass die letzten Monate anstrengend waren: Beruf, Kinder, und immer wieder dieselben Konflikte mit ihrem Partner. „Es ist, als würden wir die gleiche Szene zum hundertsten Mal spielen“, sagt sie.
Gerne stelle ich zu Beginn sinngemäß folgende Frage: „Woran würdest du merken, dass sich etwas verbessert hat, Anna?“ Sie überlegt. „Wenn es ruhiger wäre. Wenn ich mich nicht mehr so getrieben fühlen würde.“ „Und woran würde ich am Ende unserer heutigen Einheit merken, dass sich deine Situation verändert hat?“ „Wenn ich wieder freier atmen könnte.“ seufzt Anna.

Die bunte Kiste
Ich schiebe eine Kiste in ihre Richtung – voll mit bunten Papieren, Zeitungsbildern, Stoffstücken, Wörtern und Schlagzeilen. Anna lacht unsicher. „Ich bin nicht besonders kreativ.“ „Das musst du auch nicht sein“, erwidere ich. „Hier liegt schon alles bereit. Du darfst einfach greifen, was dich anspricht. Manchmal entscheiden die Hände schneller als der Kopf.“ Sie atmet auf. Es wirkt, als wäre schon dieser Satz eine Erleichterung.-- Der Anfang fällt leicht. Anna zieht einen Schnipsel heraus, dann noch einen. Erst Grau, dann ein leuchtendes Rot, dann die Worte immer wieder. Sie legt die Teile nebeneinander. „Das passt genau“, sagt sie und lächelt überrascht. Sie sucht weiter. Ein Bild einer Straßenflucht, daneben ein Stück Himmel, dann das Wort leise. „Das ist ja verrückt – es fühlt sich so an, als würde das Bild für mich sprechen.“ Genau darin liegt die Leichtigkeit der Collage: - Die Materialien sind schon da – niemand muss etwas „können“. - Jede kleine Wahl – dieses oder jenes Stück Papier – ist machbar. - Und ganz nebenbei entstehen überraschende Verbindungen von Wort und Bild.
Sammeln – Sortieren – Deuten – Umdeuten

Wir schauen gemeinsam auf ihre Collage. „Welche Wörter springen dir ins Auge?“ „‚Immer wieder‘ … das passt zu unseren Streits. Aber es nervt mich schon, es zu lesen.“ „Und wenn du es umformen dürftest – was würdest du daraus machen?“ Sie lacht. „‚Endlich anders‘! Das gefällt mir besser.“ Sie legt weitere Wörter dazu: laut – leise, nah – fern. Sie beginnt zu sortieren. Manche Gegensätze wirken bedrückend, andere öffnen Raum. „Was würde sich ändern, wenn du ein neues Wort hinzufügst?“ frage ich. „Vielleicht ‚leicht‘ … oder ‚neu‘.“

Ein neuer Blick
Die Collage zeigt viel von ihrer Belastung: Enge, Druck, Wiederholung. Aber zwischen den grauen Flächen leuchtet auch etwas Helles, fast Spielerisches. Anna betrachtet es lange. „Das habe ich fast zufällig geklebt. Aber es macht mich neugierig. Vielleicht steckt darin der Ausweg.“ Sie wirkt entspannter als zu Beginn. „Es fühlt sich gut an, die Dinge nicht immer nur durchzusprechen. So sehe ich sie. Und ich kann sie sogar verändern – mit einem Schnipsel Papier.“
Collagen sind mehr als Papierschnipsel. Sie bringen Leichtigkeit in schwere Themen: - Die Auswahl ist schon da – man darf einfach zugreifen. - Kleine Entscheidungen machen Mut, auch größere Fragen anzugehen. - Wörter und Bilder lassen sich sammeln, sortieren, deuten und neu deuten – manchmal mit überraschender Klarheit, manchmal sogar mit einem Lächeln.
Vielleicht möchtet ihr selbst einmal ausprobieren: - Welche Wörter springen mir ins Auge – und welche möchte ich umdeuten? - Welche Farben ziehen mich an – und welche fehlen? - Wie fühlt sich mein Bild an, wenn ich es betrachte? Antworten müssen nicht schwer sein. Manchmal liegen sie schon da – als Schnipsel in einer Kiste, bereit, entdeckt zu werden.







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